Es war der 4. August 1984 als Oman auf der Weltkarte endgültig sein Alleinstellungsmerkmal bekam. Es war der Tag, an dem sich das westafrikanische Obervolta in Burkina Faso umbenannte, und Oman nun das einzige Land war, dessen Name mit einem O beginnt. Es war aber eine Nachricht, die in den Gazetten nicht auf Seite Eins erschien. Es war sicher auch nicht der Tag, an dem Oman einzigartig wurde. Einzigartig wurde Oman wohl erst mit diesem Buch! Große Worte, ja. Aber, schon auf den ersten Seiten erfährt man mehr über Oman als aus so mancher Reisebroschüre. Jokha Alharthi bekam dafür als erste arabische Frau den Booker Prize, sie war die erste Omani, die ins Englische übersetzt wurde. Und nun auch ins Deutsche.
Es ist die Geschichte von Drei Schwestern: Chaula, Asma und Mayya. Letzte ist eine geschickte Näherin. Sie betet brav. In ihren Gebeten bittet sie Gott ihn noch einmal sehen. Ihn, den Unbekannten. Nur sehen will sie ihn. Nicht sein Gesicht ist ihr wichtig, sie will ihn einfach nur sehen. Doch dann platzt der Antrag vom Sohn des Händlers Sulayman in die Idylle. Mayya hat noch keinen Gedanken ans Heiraten verschwendet. Klar, mit ihren Schwestern hat sie darüber gesprochen, was sie in einem Buch gelesen haben. Sie haben gelacht und sich eine Zukunft in groben Zügen ausgemalt. Doch nun geht es Schlag auf Schlag. Keine Luft zum Atmen. Hochzeit, Kind, Ehe. Die Szene der Geburt der schmächtigen Tochter lässt die Erwartungen der Eltern (und wahrlich: Beide haben ganz unterschiedliche Erwartungen an den Nachwuchs!) bildhaft erscheinen. Der eigentliche Geburtsvorgang wird Manche überraschen: Die Vorurteile gegenüber Geburten in Krankenhäusern – christlichen Krankenhäusern, im Liegen etc. – sorgt für die ersten Aha-Momente im Buch. Und dass Mayya ihr Kind London nennen will, sorgt vielleicht für ein Schmunzeln. Für die Familie Mayyas ist es weitaus mehr.
Mayyas Geschichte, die Lebensläufe ihrer Schwestern, ihrer Vorfahren und ihrer Nachkommen stehen exemplarisch für den rasanten Wandel Omans. Bis in die 60er Jahre war hier nicht viel mehr als Sand. Die reichhaltige Kultur – schon vor einem halben Jahrtausend gingen hier die Portugiesen vor Anker und betrieben regen Handel – war ein verborgener Schatz. Mit dem Erdöl und der damit verbundenen industriellen Veränderung, ging ein Ruck durch Land und Leute, der von dem, was einst war, kaum noch Spuren offen ließ.
Wer meint, dass Oman sich allein über die örtlichen Benzinpreise einen Namen macht (der Preis für einen Liter ist derart gering, dass man in Deutschland dafür kaum etwas im Supermarkt bekommt außer einem Stück Frischhefe), der wird in „Herrinnen des Mondes“ einer kulturellen Offenbarung gegenüberstehen. Schonungslos und liebevoll beschreibt Jokha Alharthi die Wandlung eines Landes über einen Zeitraum von sieben Jahrzehnten. Alte Traditionen werden erhalten, dafür sorgt schon der Landesvater. Gleichzeitig wird der Reichtum, der unter der Erde liegt mit dem Rest der Welt zu teilen sein. Was bedeutet, dass Traditionen auf vermeintlichen Fortschritt trifft. Die Benennung der Tochter nach dem monetären Moloch ist da nur der Anfang. Wer „Herrinnen des Mondes“ gelesen hat, ist mit der omanischen Kultur besser vertraut als jeder Pauschaltourist, der das Land besucht.









